Ende Sommer wird Grenchen wieder Mittelpunkt des internationalen Grafik-Schaffens sein. Vom 10. bis 26. September geht nämlich die 22. Triennale über die Bühne. Sie ist die weltweit älteste Dreijahres-Veranstaltung, die ununterbrochen durchgeführt wurde. Dies konnte gelingen, weil sich die organisierende Kunstgesellschaft immer wieder den wechselnden Voraussetzungen im Kunstmarkt angepasst hat. Sie tut es auch diesmal, indem vermehrt die Publikumswirksamkeit und die Internationalität gesucht wird. Dabei setzt man mit dem Wettbewerb «Mini Print» auf kleinere Formate und die klassische Hochdrucktechnik Xylografie in schwarzweiss. Als Motto hat man den Begriff «Zeit ohne Zeit» definiert. Vorstellbar sind also insbesondere Holz- oder Linolschnitte, aber auch Recyclingmaterialien sind als Druckvorlage denkbar. Zur Sicherung der Qualität wurde der Wettbewerb auf spezialisierten Kunstportalen und in auserlesenen Druckwerkstätten publik gemacht. Neue Wege geht man auch bei den Ausstellungsräumen. In Grenchen soll die Werkschau im Zentrum, in einem oder mehreren der momentan leeren Lokalitäten am Marktplatz, zu sehen sein. Dazu schaut man über den Gartenzaun hinweg. Geplant ist die Präsentation der Werke auch in der Löiegrube Solothurn und in der kleinen Galerie in Leubringen (Evilard). Freunde von grösseren Formaten werden ebenfalls auf ihre Rechnung kommen. Die Veranstalter um OK-Präsident Philipp Glocker und die Kunstgesellschaft Grenchen laden für eine Sonderausstellung einige renommierte Künstler ein.
Von A wie Algerien bis V wie Venezuela
Die Zielvorgabe von 300 partizipierenden Kunstschaffenden wurde weit übertroffen. Es sind bis Anmeldeschluss 819 Kunstwerke aus 63 Nationen und allen fünf Kontinenten eingetroffen. Die Länderliste reicht von A wie Algerien bis V wie Venezuela. Mit der Wettbewerbsausstellung «Mini Print 2021» zeigt die Triennale Grenchen somit ein umfassendes Bild des aktuellen zeitgenössischen Schaffens aus der ganzen Welt im Bereich des xylografischen Druckes. Ganz offensichtlich sind auch die Künstlerinnen und Künstler dankbar für die Gelegenheit, endlich wieder ausstellen und wenn möglich verkaufen zu können. Philipp Glocker erklärtes Ziel ist es denn auch, mit seinem Team Kunst zu präsentieren, die auch vom Publikum erworben werden können. Daher der Schritt zu einem kleineren Format. Grössere Formate haben zweifellos ihren Reiz, sind oft von guter Qualität, allein der Preis bringt es mit sich, dass beinahe nur noch Institutionen sich diese leisten können.
Die Idee zur «Mini Print» stammt von Kurator Kardo Kosta. Der in Grenchen bestens bekannte Künstler und Ausstellungsmacher reiste vor Jahrzehnten aus Südamerika an die Triennale. Er hat sich in der Zwischenzeit als Kunstschaffender mit internationalem Renommee etabliert. Nach verschiedenen Aufenthaltsorten im Ausland wohnt er wieder in der Schweiz, in Leubringen. Einen Namen hat er sich zusammen mit seiner Partnerin Marisa Ripa auch als Organisator der Landart im Bözingerwald gemacht. Dank seiner häufigen Reisen hat er Kontakte zu vielen namhaften Kunstschaffenden aus dem In- und Ausland.
Parallel zur Triennale ist im Kunsthaus die Ausstellung «Pulpokosmos » von M. S. Bastian (*1963) und Isabelle L. (*1967) zu begutachten. Seit knapp 20 Jahren arbeitet das Künstlerpaar zusammen. Inspiriert von der Bildsprache der Comics wie auch von der Kunstgeschichte kreieren sie üppige und wilde Bildwelten voller Witz, Ironie und Hintergründigkeit.
Hoher Stellenwert seit 1958
Die Ausstellung im Kunsthaus Grenchen ist zweiteilig. Während in der Villa Girard das druckgrafische Gesamtwerk im Zentrum steht, schaffen M. S. Bastian und Isabelle L. für den Neubau eine überbordende Installation zwischen Geisterbahn, Musée intime und innerer Reise. Aus alltäglichem, günstigem Material gebaut, präsentiert «Pulposkosmos» die Welt von M. S. Bastian und Isabelle L. Dabei spielen Themen der Kunst genauso eine Rolle wie alltägliche Themen der Gegenwart, individuelle Fragen genauso wie philosophische. Die einfache Bildsprache führt die Betrachtenden fast unmerklich in unbekannte witzig-freche, künstlerische Sphären und immer wieder auch in ernste, aus dem Alltag bekannte Themengebiete.
Die erste Austragung der Triennale ging 1958 über die Bühne. Die Auflistung einiger Künstler, die ihre Werke in Grenchen gezeigt haben, unterstreicht den bedeutenden Stellenwert der Werkschau: A. R. Penck, Antoni Tâpies, Leiko Ikemura, Joan Miró, Ben Vautier, Andy Warhol, Jeanne Claude und Christo, Rolf Iseli, Daniel Spoerri, Rolf Winnewisser, Georg Baselitz, Eduardo Chillida ... Bei den Jurymitgliedern sticht der Name Harald Szeemann hervor. Ausstellungsorte und Konzepte mögen sich geändert haben. Noch immer aber ist die Durchführung nur möglich, weil unzählige fleissige Hände insbesondere der Kunstgesellschaft unentgeltlich anpacken und so mithelfen, Grenchen regelmässig als ein Zentrum der internationalen Grafikszene zu präsentieren. André Weyermann